"MINT geht digital" - Analoge und digitale Lernerfahrungen sinnvoll verknüpft
Am 31. März 2020 kamen neun Fachleute und Kooperationspartnerinnen und -partner aus Wissenschaft und Praxis mit Mitarbeitenden der Stiftung Kinder forschen zu einem Online-Fachforum zusammen. Im Rahmen der fachlichen Konzipierung des neuen Bildungsangebots der Stiftung, "MINT geht digital", wurden Gelingensfaktoren für die Verknüpfung früher MINT-Bildung und digitaler Mediennutzung diskutiert.
Bildung auf dem Prüfstand der Digitalität

Ein Alltag ohne digitale Medien ist kaum noch denkbar. Längst hat die Digitalität, also die Verschränkung von digitalen und analogen Wirklichkeiten, in der Lebenswelt fast aller Menschen, insbesondere der jungen Generation, Einzug gehalten. Wie wichtig die Verknüpfung etablierter Bildungsthemen mit der Welt des Digitalen ist und welcher Wert hierbei einer pädagogisch sinnvollen und sicheren Anwendung digitaler Medien zukommt, wird aktuell vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie umso deutlicher. Bildung kann und sollte nicht nur in Zeiten wie diesen auch digital stattfinden, und das möglichst bewusst und mit Blick auch auf künftige Chancen. Darüber waren sich die Anwesenden des Fachforums einig. Wie gelingt es pädagogischen Fach- und Lehrkräften aus Kitas, Horten und Grundschulen, digitale Medien gezielt und sinnvoll beim entdeckenden, forschenden Lernen einzusetzen?
Alltagsnahe Anwendbarkeit und pädagogische Einbettung entscheidend
Zur Einstimmung in die Thematik gab Uwe Rotter, Referent für digitale Lernangebote der Stiftung Kinder forschen, wortwörtlich vertiefende Einblicke: Mithilfe eines digitalen Endoskops präsentierte er ein vielfach vergrößertes Bild der Oberflächenstruktur eines derzeit besonders hoch im Kurs stehenden Alltagsmaterials: dem Toilettenpapier. Ein beeindruckendes Bild, wie sich die unzähligen Fasern zu einem engmaschigen Gewebe zusammensetzen. Genau diese Faszination ist es, die bei Erzieherinnen, Erziehern und Lehrkräften und den Kindern durch die gemeinsame Anwendung digitaler Geräte beim Forschen befördert werden soll. Dabei müsse mit den Kindern vor allem das kreative Potenzial der Medien erschlossen werden, meint Eva Reichert-Garschhammer, stellvertretende Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik (IFP) in München. "Gestalten, statt konsumieren", empfiehlt die Expertin, "und sich mit den Kindern dabei immer wieder austauschen über die Medien."
Den Fokus auf praktische Ideen zu setzen und regelmäßig über die Wirkung der Medien zu reflektieren, empfehlen auch andere Teilnehmende. So nennt Sabine Eder, Vorsitzende der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK), das Drehen von Stop-Motion-Filmen mit Kindern als gutes Beispiel digitaler Mediennutzung. Die einzelnen Schritte, die bei einer solchen Produktion zum Einsatz kommen, nämlich das Recherchieren nach Ideen und Umsetzungsmöglichkeiten, das praktische Umsetzen und Dokumentieren des Vorgehens sowie das Reflektieren über die persönliche Erfahrung, erinnern dabei stark an die Prozesse des Entdeckens und Forschens zu MINT-Fragestellungen.
Organisationsentwicklung in- und extern gefragt, vor allem bei Kitas
Damit frühe digitale Mediennutzung in Bildungseinrichtungen gelingen kann, gibt es nach Meinungen der Fachleute noch einige Hürden zu überwinden, insbesondere in Kitas. Dagmar Winterhalter-Salvatore, Wissenschaftliche Referentin im IFP, beschreibt die in vielen Einrichtungen herrschenden Rahmenbedingungen als "suboptimal". Erzieherinnen und Erzieher müssten sich ihr Fachwissen oft berufsbegleitend erarbeiten, es mangele an monetären und personellen Ressourcen und einer Grundausstattung an WLAN-Verbindungen und Technik. Zudem sei die Haltung sowohl der Kita-Fach- und -Leitungskräfte als auch vieler Eltern gegenüber digitalen Medien in Kitas häufig sehr skeptisch. "Wir beobachten hier oft eine Bewahrpädagogik, also den Versuch, digitale Medien aus dem Raum Kita weitestgehend fernzuhalten, da Kinder ja noch früh genug mit diesen in Berührung kommen würden", so Winterhalter-Salvatore. Genau diese Begegnung sei aber der entscheidende Punkt, weshalb hier schon früh angesetzt und Medienkompetenz aufgebaut werden müsse: Bereits in dieser frühen Lebenswelt kommen Kinder nämlich bereits mit Medien in Berührung und brauchen entwicklungsgerechte Begleitung dabei, diese nach und nach zu verstehen und verantwortungsbewusst zu nutzen. Teilhabe und eine fundierte pädagogische Lernbegleitung seien nach Winterhalter-Salvatore in diesem Falle unverzichtbar.

Ein viel diskutierter Punkt war die Frage nach der Einbindung aller Akteure, damit eine Umsetzung digitaler MINT-Bildung gelingen kann. Zum einen bedeutet das laut einigen Experten, dass beispielsweise die Kita zunächst gemeinschaftlich ein Medienkonzept erarbeitet und dieses schließlich auch für die Eltern einsehbar macht, um Vertrauen zu schaffen. Als Beispiel stellte Dagmar Winterhalter-Salvatore das Modell schwedischer Kitas vor, in denen Eltern als Bildungspartner agieren, die jederzeit Einblicke in den Alltag der Kitas erhalten und im engen digitalen Austausch mit diesen stehen. Weiterhin halten die Experten eine bessere Vernetzung der Akteure aus MINT- und Medienbildung für ratsam, um einer gemeinsamen Zielgruppe bereits bestehende Angebote zugänglicher zu machen. Und nicht zuletzt war sich ein Großteil der Gesprächspartner darüber einig, dass auch vonseiten der Politik noch längst nicht alle Weichen gestellt sind, um die Digitalisierung im Bereich der frühen Bildung ins 21. Jahrhundert zu befördern.
Fazit: Entdecken und Forschen geht digital - "MINT geht digital"
Dafür müssen jedoch die nötigen Rahmenbedingungen in den Einrichtungen erfüllt sein und die Umsetzung möglichst praktisch sowie fachlich fundiert und pädagogisch erfolgen. Das geplante Angebot der Stiftung, das ab Juli 2020 deutschlandweit für pädagogische Fach- und Lehrkräfte frühkindlicher Bildungseinrichtungen verfügbar sein wird, vereint das pädagogische Konzept des entdeckend-forschenden Lernens in den MINT-Disziplinen mit der Anwendung digitaler Werkzeuge. So werden alltägliche MINT-Fragestellungen (also zur Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) aufgegriffen und mithilfe digitaler Medien erforscht, beispielsweise werden Ideen mit einem Mikroskop oder Tablet kreativ "beleuchtet" und Annahmen kritisch hinterfragt. Ziel des Bildungsangebots ist es, Kindern und ihren Lernbegleitungen die Erfahrung zu ermöglichen, dass digitale Medien neue Möglichkeiten beim Forschen eröffnen, Spaß machen und beim Verstehen der Welt helfen.